Leiter der Arbeitsgruppe für chronisch entzündliche Darmerkrankungen, Klinik für Innere Medizin III/Abteilung Gastroenterologie und Hepatologie, Medizinische Universität Wien
FACT-BOX
Vor Therapie mit Teduglutid:
Nach Therapie mit Teduglutid:
Der Patient, geboren in den 1970er-Jahren, wurde im Sommer 2016 das erste Mal an der Ambulanz vorstellig.
Der Patient hatte 2014 aus vollkommener Gesundheit eine Mesenterialvenenthrombose mit Dünndarmgangrän entwickelt. Nach der chirurgischen Sanierung blieben 50 cm Jejunum, über eine Jejunostomie herausgeführt, abgesetzt davon 15 cm Ileum und ein Großteil des Kolons außer dem Sigma erhalten, allerdings exkludiert vom normalen Darmfluss. Das Kolon wurde als Descendostoma über eine muköse Fistel im linken Mittelbauch herausgeleitet. Schließlich gab es noch einen Hartmannstumpf.
Zu diesem Zeitpunkt war bei dem Patienten nur ein seit 19 Jahren bestehender insulinpflichtiger Diabetes mellitus bekannt. Als Ursache für die Mesenterialvenen- und Pfortaderthrombose wurde eine Prothrombin-Mutation gefunden. In der Folge musste der Patient parenteral über einen Port-a-Cath (PAC) ernährt werden und entwickelte bis Herbst 2015 zumindest vier PAC-Infektionen. Dann erfolgte eine Umstellung auf einen Hickman-Katheter. Eine Rückoperation mit Inklusion aller ausgeschalteten Darmteile erfolgte drei Monate später.
Der 1,80 cm große, 70 kg schwere Patient mit Kurzdarmsyndrom zeigte sich im Sommer 2016 mit täglich sechs bis neun flüssigen Stühlen, ohne abdominelle Schmerzen. Er konnte teilweise arbeiten, war aber vorübergehend in eine Rehabilitationspension eingestuft. Die Therapie umfasste Colestyramin 2x 1, Escitalopram, Acetylsalicylsäure 100 mg, Enoxaparin 40–0–60, sechs Tabletten Loperamid, Pankreatin 3x 10.000, Heparin für den Hickman-Katheter sowie Insulin aspart in Form einer Pumpentherapie. Wegen der rezidivierenden Katheterinfektionen bei dauerhafter Abhängigkeit von parenteraler Zufuhr von Kalorien (1.000 ml jede zweite Nacht) und Flüssigkeit (2–3 Liter täglich) wurde die Indikation für den Beginn einer Therapie mit Teduglutid (Revestive®) gestellt.
Polypen bzw. Tumore wurden mittels Koloskopie ausgeschlossen. Die Laboranalyse ergab ein HbA1c von 7,2 % Elektrolyte und Kreatinin im Normbereich, deutlich erhöhte alkalische Phosphatase (AP; 298 U/l statt <130 U/l) und Glutamat-Oxalacetat-Transaminase/GlutamatPyruvat-Transaminase (GOT/GPT) 84/120 U/l, Gamma-GT 231 U/l, CRP. Der Eisenstoffwechsel war, wie auch das rote und weiße Blutbild, unauffällig (mäßige Thrombozytose; 561 G/l). Plasma-Citrullin lag bei 8,7 µmol/l (Normwert 16–46 µmol/l). Der Xylosetest wies mit 2,2 % eine extreme Reduktion der Resorptionskapazität aus (normal >20 %, grenzwertig 15–20 %). Es erfolgte eine neuerliche ausführliche Instruktion durch eine spezialisierte Diätologin.
Im Herbst 2016 wurde schließlich die Behandlung mit Teduglutid 0,05 mg/kg/KG täglich subkutan gestartet. Vorerst erfolgte ein Einschulungsgespräch mit der Diätologin und einer spezialisierten Pflegefachkraft, die in der Folge die Betreuung zuhause übernahm. Noch im selben Monat entwickelte der Patient eine weitere Kathetersepsis, weshalb die parenterale Kalorienzufuhr vorübergehend gestoppt wurde.
Schon nach zwei Wochen zeigte sich ein deut liches klinisches Ansprechen auf die Behandlung mit Teduglutid mit einer Reduktion der Stühle auf ca. sechs breiig-flüssige Stühle pro Tag und einer Gewichtszunahme auf 71,5 kg (+3 kg Zunahme). Bereits nach einem Monat, wies der Patient eine Besserung im Xylosetest von 2,2 auf 6,3 % auf. Die parenterale Ernährung wurde auch wegen des neuerlichen Katheterinfektes gestoppt.
Nach drei Monaten lag das Gewicht des Patienten bei 72 kg und die Stuhlfrequenz bei weniger als 6–8 breiigen bis flüssigen Stühlen, bei einer Verabreichung von sechs Tabletten Loperamid pro Tag. Entsprechend dem Flüssigkeitsverlust und dem Durst wurde 1–3 l Ringerlaktat pro Tag zugeführt. Zusätzlich erhielt der Patient 3,6 mg Teduglutid pro Tag, drei eiweißreiche Drinks, Energiedrinks, alle zwei Tage ein Multivitaminpräparat gemeinsam mit der Flüssigkeitsinfusion und 60 Einheiten Insulin.
Nach vier Monaten stieg die Resorptionskapazität im Xylosetest auf 9 %. Der Patient entwickelte aber leider aufgrund der Verwendung des Hickman-Katheters für die Ringerinfusionen wieder intermittierend Fieberschübe bis 39,2° Celsius. Daher blieb auch die Cholestase erhalten. Als Folge der Katheterinfektionen kam es zu einem vorübergehenden Anstieg der alkalischen Phosphatase auf 335 U/l und einer Thrombozytenzahl von 641.000. Vitamin A und E waren im Normbereich. Im Ultraschall der Leber zeigte sich eine Steatose und Cholecystolithiasis, wie sie bei Kurzdarmpatienten häufig gefunden wird. Zu dieser Zeit erhielt der Patient keine parenterale Ernährung und keine Elektrolyte oder Spurenelemente. Er infundierte 2 l Ringerlaktat pro Tag. Die weitere Medikation umfasste neben Teduglutid 4 mg pro Tag ein Multivitaminpräparat 1x/Woche, Loperamid 6/d, Zinkorotat 2, Escitalopram, Pankreatin 3–6, Acetylsalicylsäure und Enoxaparin.
Nach 8 Monaten erfolgte eine neuerliche Katheterinfektion, weshalb der Hickman-Katheter getauscht wurde.
Nach 9 Monaten lag die Xyloseausscheidung bei 9,9 %. Die Cholestase war wieder rückläufig, das Verhältnis AP/Gamma-GT/GOT/GPT bei 210 : 119 : 61 : 130.
Nach 11 Monaten wurde der Hickman-Katheter endgültig entfernt und es erfolgten keine weiteren Infusionen von Ringerlaktat. Die Stuhlfrequenz lag bei 4–8 breiigen bis geformten Stühlen pro Tag, das Körpergewicht betrug 70 kg. Der Patient litt etwas unter Blähungen. Das HbA1c war auf 6,4 % gesunken. Der Patienten erhielt nun oral Vitamin A,
Zinkorotat, Acetylsalicylsäure, Enoxaparin 60 mg, Ursodesoxycholsäure, Loperamid, Pankreatin und zusätzlich eine orale hochkalorische Kurzdarm-Diabetes-Diät. Nach einem Jahr war eine weitgehende Normalisierung der Leberwerte zu beobachten, GOT/GPT im Normbereich, AP/ Gamma-GT 167 : 99, Thrombozyten 535 G/l.
Nach 16 Monaten erfolgte wieder eine Kontroll-Koloskopie, die unauffällig war, das Körpergewicht war ohne Infusionen stabil bei ca. 72 kg. Der Patient erhielt 3,6 mg Teduglutid, Vitamin E, Zinkvit 2, Vitamin-D3 2x 5 gtt/Tag, Lope ramid, Ursodesoxycholsäure, Pankreatin 3x 25.000, Escitalopram, Marcoumar, Insulin aspart. Die Xyloseausscheidung war auf 8 % leicht gefallen.
Nach 21 Monaten hatte der Patient einen Spitzenwert im Xylosetest von 10,6 %, acht bis zehn flüssige Stühle pro Tag, bei einem Körpergewicht von etwa 69 kg. Er hatte keine abdominellen Schmerzen oder Blähungen unter ca. 5 mg Teduglutid pro Tag. Die Leberwerte waren inzwischen fast vollkommen normal, mit Ausnahme einer leicht erhöhten AP von 179 U/l (Normalbereich <130 U/l), normalem Citrullin 23,2 µmol/l.
Zuletzt war der Patient auf 5 mg Teduglutid pro Tag eingestellt. Er wies acht breiig-flüssige Stühle auf, hatte ein Körpergewicht von 71 kg und eine tägliche Harnproduktion von ca. 2.500 ml. Wegen eines abgesunkenen und zu niedrigen Vitamin-A-Spiegels erhält er Vitamin A zudem Vitamin-B-Komplex plus Eisenkomplex, Omega- 3-Fettsäure, Pankreatin 3x 2, Ursodeoxycholsäure 2, 6 Loperamid und Escitalopram.